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Große Teller 4

In einem erst jetzt bekannt gewordenen Reprint eines MB von Baccarat von 1893 wird ein Service mit vielen Einzelstücken angeboten, dessen Dekor  "cotes alternées dépolies" genannt wird. Auf [Tafel 14] "Assiettes à dessert, No 4990 A"(!) sind unsere Teller als dritt kleinste verzeichnet (... 135, 120, 100 mm).

Möglicherweise wird das Dekor schon in den sechziger Jahren angeboten, nach der Einführung der Säurepolierung. Laut Mégly verwendet St. Louis das Verfahren der Säurepolitur seit 1860 (P-K 2001/4, Anhang, S. 5). Von der  Beliebtheit "teilmattierter Muster" in den  Sechzigern in England schreibt auch Lattimore. Molineaux, Webb & Co. taten sich besonders hervor (a. a. O., S. 97/8). S. die Schalen 2.036, 37, 38, 40 in meiner Sammlung, deren Muster zw. 1864 und 1868 registriert wurden. In diesem Zusammenhang erscheint mir die Ähnlichkeit des Musters des Baccarattellers mit dem Muster  von  2.037 besonders auffällig. Interessanterweise sind bei dem englischen Stück die 'erhabenen' Rippen mattiert, während es bei Baccarat die 'versenkten' Rippen sind. Daraus ließen sich zwei Schlußfolgerungen ziehen, eine technische und eine rechtliche: Die unterschiedliche Mattierung könnte vor einer möglichen Klage wegen Verletzung des Musterschutzes geschützt haben. (Wer auch immer wen hier nachgeahmt hat.) Und zweitens deutet die Mattierung der erhabenen Dekorteile auf das wohl ursprünglichere Verfahren der mechanischen Aufrauhung ("surface partly roughened", schreibt Barbara Morris,  a. a. O. S. 194 und 195 Bildunterschrift, z.B.). Bei Baccarat dürfte es sich um die von Stenger, S, 147 beschriebene Methode der Säuremattierung (wie sie in Vallérysthal angewendet wurde) gehandelt haben.

Noch eine Bemerkung zur Datierung der Teller: Im MB von 1893 wird nur die Fabrikmarke (Karaffe mit Wein- und Wasserglas) gezeigt, die 1895 auch ins Warenzeichenblatt des Kaiserlichen Patentamts eingetragen wird. Laut "Observations générales" (S. 301) wird jeder Artikel mit einem Etikett mit der Fabrikmarke versehen. Später (wann genau?) verwendet die Firma bei Preßglasartikeln (gelegentlich?) "Baccarat ...Déposé". Bei den Tellern handelt es sich wohl um ein 'Zwischenstadium': Außer dem Namen (ohne 'déposé') erscheint noch die alte MB-Nummer.

Nachtrag September 2003:

Der Teller ist Teil eines umfangreichen Services, das möglicherweise schon seit den 1870ern produziert worden ist.Das hier angewendete Verfahren der Säuremattierung wird in St. Louis seit 1860 angewendet (Mégly, zit. in PK 2001/4, Anhang, S. 5); die religiösen teilmattierten Preßglasskulpturen von Bac-

carat stammen aus den 70er Jahren; Lattimore berichtet von der Beliebtheit teil-mattierter Muster in den Sechzigern in England. (Siehe dazu die Schalen 2.036 – 2.040 in meiner Sammlung, deren Muster zwischen 1864 und 1868 registriert wurden. Ob die englischen Stücke allemal mit Hilfe von Säure mattiert worden sind, ist nicht klar. Bei einigen wäre auch eine mechanische Aufrauung möglich gewesen: die erhabenen Teile der "alternierenden Rippen" könnten auch durch Schleifen mattiert worden sein, bei den versenkten Teilen – wie bei 1.150 –wäre das womöglich zu umständlich (und teuer) gewesen.

 

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© Copyright 2001-2008  Simon Becker.  Stand dieser Seite: Donnerstag, 2. Oktober 2008